Die gängigsten Verzerrungen und Heuristiken im Marketing

Auch als Verbraucher werden unsere Entscheidungsprozesse von kognitiven Verzerrungen und Heuristiken beeinflusst. Als nützliche Werkzeuge dienen sie zur Vereinfachung von Informationen und zur Bewältigung der Marktkomplexität. Beispielsweise neigen Menschen dazu, Informationen auszuwählen, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen, und ignorieren Informationen, die dem widersprechen. Diese «Denkfehler» sind nicht immer schlecht und beschreiben genauso unser allseits bekanntes «Bauchgefühl» und führen zu intuitiven Entscheidungen. Diese können sowohl positiv als auch negativ sein. Im Marketing nutzen wir kognitive Verzerrungen jedoch sehr gezielt, um Kundinnen und Kunden zu beeinflussen und Verkäufe zu steigern, oder, um bestimmte Botschaften zu verstärken und Kundinnen und Kunden positiv auf das Produkt oder die Marke einzustellen.

Einige der bekanntesten sind:

Verfügbarkeitsheuristik

Die Verfügbarkeitsheuristik besagt, dass wir im Gedächtnis verfügbare Informationen dazu nutzen, Produkte, Ereignisses und Co. auf der Grundlage dessen zu beurteilen. Beispiele, Lösungen, Farben und vieles mehr kommen uns in den unterschiedlichsten Momenten direkt in den Sinn, und nutzen diese als Grundlage unserer Entscheidung. Wenn wir zum Beispiel häufig in der Werbung sehen, dass Menschen mit einem bestimmten Produkt glücklich sind, gehen wir davon aus, dass das Produkt auch gut ist. Sehen wir dieses Produkt im Laden, erinnern wir uns an die glücklichen Menschen und neigen dazu, das Produkt ebenfalls zu kaufen.

Wiedererkennungsheuristik

Die Wiedererkennungsheuristik besagt, dass wir Dinge, die wir bereits kennen, als vertraut und glaubwürdiger einschätzen. Das macht sich das Marketing beispielsweise zunutze, indem es bekannte Prominente oder Marken in der Werbung einsetzt. Die Wiedererkennungsheuristik ist somit auch DIE Grundlage für Branding.

Repräsentativitätsheuristik

Die Repräsentativitätsheuristik besagt, dass wir die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses auf der Grundlage dessen beurteilen, wie gut es in unser bestehendes Bild der Welt passt. Wenn wir zum Beispiel glauben, dass Menschen mit einem bestimmten Aussehen intelligent sind, gehen wir davon aus, dass ein Mensch mit diesem Aussehen auch intelligent ist. Wenn wir Fan von einer bekannten Persönlichkeit sind, gehen wir davon aus, dass dessen Produktempfehlung, nur die Beste sein kann. Diese Person würde ja keinen schlechten Kaffee oder ein schlechtes Shampoo anpreisen.

Mentale Buchhaltung

Die mentale Buchhaltung bezieht sich auf unseren (Finanz-)Haushalt in unserem Kopf. Der Mensch legt in seinem Kopf verschiedene Budgets an für unterschiedliche Zwecke, wie Freizeitvergnügen, Lebensmittel, Geschenke, Urlaub und viele mehr. Geht es darum, sich etwas zu leisten und Geld und Zeit zu investieren, wägt der Mensch ab, ob das Guthaben auf diesem Konto noch ausreichend ist. Das kann dazu führen, dass wir gewisse Ausgaben nicht tätigen, obwohl das Gesamtbudget dies zulassen würde. Im Marketing können wir dieses Wissen nutzen und mit dem gleichen Produkt verschiedene Konten und Bedürfnisse ansprechen.

Verwässerungseffekt

Der Verwässerungseffekt besagt, dass wir die Bedeutung einer neuen Information weniger stark gewichten, wenn sie mit vielen anderen Informationen zusammenkommt. Das macht sich das Marketing beispielsweise zunutze, indem es Werbung für verschiedene Produkte oder Dienstleistungen zusammen in einem Werbeblock schaltet. Konsument:innen wissen dann am Ende vielleicht nur noch «im Laden xy gibt es viele tolle Angebote» und «müssen unbedingt vorbeischauen»

Ankereffekt

Der Ankereffekt besagt, dass wir unsere Einschätzung von etwas durch einen ersten Eindruck oder eine erste Zahl beeinflussen lassen. Wenn wir zum Beispiel ein Produkt für einen bestimmten Preis sehen, wird dieser zu unserer Referenz und stufen auf der Basis vergleichbarer Produkte jene als teurer oder günstiger ein.

IKEA-Effekt

Der IKEA-Effekt ist eine kognitive Verzerrung, die beschreibt, dass wir selbstgebaute oder selbst gestaltete Produkte als wertvoller einschätzen als fertig gekaufte Produkte. Dies hängt damit zusammen, dass wir uns durch die intensive Auseinandersetzung und das eigene Handwerk verbundener fühlen und uns mit dem Produkt identifizieren. Dadurch haben wir einen gewissen Einfluss auf Aussehen und Funktionalität und unser Selbstwertgefühl und Stolz werten wir durch die eigene Leistung auf. Im Marketing kann der Effekt gezielt für entsprechende Produkte genutzt werden, ist aber vor allem auch im Produktmanagement von Relevanz: leicht verständliche Anleitungen, intuitives Design, Reduktion von Komplexität.

Das Verständnis von kognitiven Verzerrungen und Heuristiken bietet wertvolle Einblicke in die Entscheidungsprozesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Wenn diese Vorurteile strategisch in Marketingmassnahmen einbezogen werden, werden Kunden effektiv angesprochen, ihre Wahrnehmung beeinflusst und die gewünschten Ergebnisse erzielt. Die Nutzung von kognitiven Verzerrungen und Heuristiken ist eine heikle Balance zwischen der Bereitstellung wertvoller Informationen und dem Respekt vor der Entscheidungsfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher. Aufgrund ihrer psychologischen Natur können darüber hinaus die Ergebnisse nicht immer vorhersehbar sein. Das Hauptproblem besteht darin, dass Menschen unterschiedlich auf diese Vorgehensweise reagieren. Während einige Konsumenten empfänglich für bestimmte kognitive Verzerrungen sind, können andere diese durchschauen und dadurch negativ beeinflusst werden.